Bild P. Farinacii, Lyon 1663.


Kardinal-Inquisitor Albizzi (1593-1684).
Kritiker der in der Schweiz üblichen Hexenverfolgung.
 
                                                                                                                                           
  Die Einfluss Kirche          
              

Die Mehrheit der in den Wallisersagen veröffentlichten Hexengeschichten endet damit, dass ein kirchlicher Amtsträger die vermeintliche Hexe vor der Verfolgung durch die Dorfbewohner in Schutz nimmt.

Diesem Bild steht entgegen, was die meisten heute glauben. Nämlich ein Verhalten der Kirche, wie es u. a. in der Verfilmung von Umberto Ecos Buch Im Namen der Rose eindrücklich geschildert wird. Gemäss Umberto Eco ist der eigentliche Bösewicht der Dominikaner Bernard Gui. Er vertritt die römische Inquisition und bringt ein unschuldiges Mädchen wegen Hexerei auf den Scheiterhaufen. Wie aber war die Wirklichkeit?

Den Dominikaner Bernard Gui gab es tatsächlich. Er lebte im 14. Jh. und hat als Inquisitor 633 Menschen wegen Ketzerei verurteilt, darunter 41 zum Tode. Weder er, noch der im Buch ebenfalls erwähnte Inquisitor Jaques Fournier (Umberto Eco gab ihm freundlicherweise den Namen des spätern Papstes Benedikt XII), haben aber je jemand wegen Hexerei hinrichten lassen!

Auch bei der Verfolgung und Verurteilung der Margaretha Ithen war kein Vertreter der Kirche beteiligt. Das mag viele überraschen, weil sie nicht zwischen Ketzerprozessen und Hexenprozessen unterscheiden.

 

Ketzerei = Verbreitung oder Anerkennung von Weltanschauungen, die nicht konform mit der Staatsreligion sind (Im erwähnten Film der Vorwurf an die beiden Mönche). In der Regel Verfolgung und Verurteilung durch Kirchenvertreter. Hinrichtung durch weltliche Behörden.  

Hexerei = Schadenshexerei (im erwähnten Film der Vorwurf an das junge Mädchen). In der Regel Verfolgung und Verurteilung ohne Beteiligung der Kirche (ausser wo Kirchenfürsten, auch Landesherren waren).  

Es gab auch Verurteilungen wegen Hexerei + Ketzerei, z.b. wenn eine wegen Schadenshexerei verhaftete Person unter der Folter auch gestand Gott geleugnet zu .haben.

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Kurze Geschichte der Verfolgung der Schadenshexerei

Die heidnischen Kelten, Germanen und Slawen glaubten an Schadenshexerei und verfolgten und töteten Verdächtigte. Die Kirche lehnte den Glauben an Schadenshexerei ab. Im Jahre 785 wurde am Konzil von Paderborn der Glauben an Hexen und ihre Verfolgung unter Strafe gestellt. Wer im Reich Karl des Grossen Hexen verfolgte wurde hingerichtet.

Im 15. Jh. gab es kirchliche Anklagen gegen Anhänger der so genannten Hexenlehre. Das weckte in Ländern mit schwacher Zentralgewalt die bisher unterdrückte Verfolgung der Schadenshexerei Verdächtigter. Der Straftatbestand der Zauberei wurde durch die zivile Justiz eingeführt und von dieser verfolgt.. Den Höhepunkt erreichten Hexenverfolgungen in reformierten Gebieten. Martin Luther schrieb:

"Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen… Sie können ein Kind verzaubern… Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird… Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, die niemand heilen kann... Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder… Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben".
NB: Es gab katholische Theologen, die ähnliches schrieben.

Die Hexenverfolgungen dauerten von 1450-1750. Die Angaben über Opferzahlen sind widersprüchlich. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, das in Europa rund 100'000 Menschen hingerichtet wurden. Vergleichsweise wenige Hinrichtungen wegen Schadenszauberei gab es dort, wo die Inquisition mächtig war oder aufgeklärte Fürsten regierten. Die meisten Hinrichtungen gab es in Regionen, wo
naturnahes Volkstum und volksnahe Behörden existierten. Das war auf dem Gebiet der heutigen Schweiz der Fall. Entsprechend gab es dort im Verhältnis zu Bevölkerung die meisten Hinrichtungen (rund 10'000). Im Wallis schätzungsweise 800, in Graubünden 1000, davon die meisten in den Walsergebieten. In Zürich, wo die Landbevölkerung ihre Richter nicht selber wählen durfte, gab es nur 80 Hinrichtungen. Anderen Quellen zufolge, die keine Zahlen nennen, soll es regional am meisten Hinrichtungen im Rheinland und im Wallis gegeben haben. In Angaben über Opferzahlen werden manchmal auch die Hinrichtungen wegen Ketzerei mitgerechnet.

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Ketzerei

Hexerei und Ketzerei zusammengezählt, gab es schweizweit die meisten Hinrichtungen auf dem Gebiet des heutigen Kantons Waadt (rund 1700
). Die meisten Hingerichteten waren Waldenser (franz. Vaudoise). In Lausanne war bis 1536 der Sitz der auch für das Wallis zuständigen Inquisition (Dominikanerkonvent). Zeitweise gab es auch einen Inquisitionssitz in Zürich, der sich mit Lausanne wegen der Zuständigkeit für das Oberwallis stritt.

Nach dem zweiten Konzil von Trient (1562-1563) hatte der für das Bistum Wallis zuständige Inquisitor seinen Sitz im Mailand. Der bekannteste Inquisitor war der im Wallis verehrte, spätere Hl. Karl Borromaeus. Im Wallis bekämpfte er innerkirchliche Missstände und die Ausbreitung des Protestantismus.

Im Wallis gab es in der Amtszeit des Bichofs de Gualdo eine grosse Ketzerverfolgung. 1428-1429 liess er rund 700 Ketzer und Ketzerinnen verhaften. Von diesen wurden 200 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Nach der Machtübernahme durch die Oberwalliser 1457, gab es, von möglichen Einzelfällen abgesehen, keine eigentlichen Ketzerverfolgungen. Eine Ausnahme war die Vertreibung der Protestanten im 16. Jh. Später war man gegenüber Andersgläubigen toleranter. Unbehelligt blieben sogar die atheistischen Anhänger Voltaires, unter ihnen auch ein wohlhabender Münstiger. Die Chronik berichtet über ihn, dass er 1767 "ohne Priester starb, obwohl 13 Geistliche in Münster anwesend waren".


Widersprüchliche Angaben über die Anzahl der Hinrichtungen wegen Ketzerei oder Hexerei. Gemäss verschiedenen Quellen wurden in der Waadt rund 1'700 Menschen hingerichtet. Im bereits erwähnten Buch von Franz Rueb ist nachzulesen, dass es dort allein 1591-1680 mehr als 3'000 Hinrichtungen gab, "in der Rangordnung dicht gefolgt von Freiburg und Wallis". PS: Die wirklichen Zahlen werden, was das Wallis betrifft, wohl für immer unbekannt bleiben. Man nimmt an, dass die Mehrheit der Prozessakten verloren ging oder vernichtet wurde, u. a. weil diese von den Verantwortlichen oft zu Hause aufbewahrt wurden!
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Kardinal Albizzi

Ihm unterstand die römische Inquisition, als diese im Sommer 1652 über den Ausbruch neuer Hexenverfolgungen im Bistum Chur informiert wurde. Der Machtbereich der römischen Inquisition beschränkte sich damals auf das italienische Festland. Dort gab es seit 150 Jahren keine Hexenverfolgungen, wie sie noch in der Schweiz und Deutschland üblich waren. Für besonderen Abscheu sorgte in Rom im Jahre 1655 die Mitteilung, dass in Graubünden 15 Walserkinder wegen Hexerei vor der Hinrichtung standen. Da Roms Einfluss auf die dortige weltliche Justiz gering war, erreichte Kardinal Albizzi, dass diese Kinder vom Vatikan freigekauft wurden und nach Mailand zu Pflegeltern kamen. Die 15 Kinder waren Waisen. Ihre Eltern hatte man wegen Hexerei bereits hingerichtet. Alle Eltern und Kinder stammten aus einer kleinen Walsersiedlung, deren Name hier ungenannt bleibt.

Weniger Erfolg hatte die Inquisition 1712, als im rätoromanischen Teil Graubündens vier Mädchen im Alter zwischen 10 und 14 Jahren wegen Hexerei verhaftet wurden. Der Ortspfarrer versuchte die Kinder zu retten und wandte sich deshalb direkt an den für das Bistum Chur zuständigen Inquisitor in Como. Dieser schlug vor die Kinder freizulassen oder sie ihm zur Erziehung und Unterbringung zu übergeben. Die weltlichen Richter dachten aber gar nicht daran Milde walten zu lassen. Die beiden älteren Mädchen wurden hingerichtet. Bei den beiden jüngern entschied das Gericht "In Anbetracht ihres zarten Alters, sie nicht durch den Hand des Henkers sterben zu lassen, sondern den Eltern die Wahl zu lassen, entweder mit ihnen auszuwandern oder sie zu vergiften". Die Eltern entschieden sich für die Vergiftung. Die 11-jährige Maria Barbara starb sofort nach Einnahme des Giftes, die zehnjährige Katharina starb erst nach zweimonatigem Leiden und einer zweiten Giftverabreichung.

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Jedem der sich für die Rolle der Kirche bei den Hexenverfolgungen interessiert, empfehle ich die objektiven
Publikationen von Dr. Rainer Decker, geb. 1949, Studiendirektor in Paderborn. Besonders lesenswert, trotz des etwas reisserischen Titels, sein Buch "Die Päpste und die Hexen", 2003 erschienen im Primus Verlag. Im Buch werden auch jene Fälle beschrieben, in denen auch die Inquisition Hexerei verfolgte, z. B. bei Missbrauch oder Nachäffung von Sakramenten, Hostienfrevel, Nekromantie etc.

Was die Rolle der Kirche betrifft, sind die meisten anderen Publikationen weniger objektiv. Darunter leider auch die sonst hochinteressante, 650-seitige Dokumentation "Hexen und Zauberei". 1987, anlässlich einer gleichnamigen Landesaustellung in Graz, kam sie in zwei Bänden in den Buchhandel. In der in Zusammenarbeit mit der Universität Wien entstandenen Veröffentlichung, wird der Hl. Thomas von Aquin als Vordenker der Hexenverfolgen vorgeführt - und die Hexenverfolgungen werden mit dem Judenverfolgungen der Nazis in einen Kontext gebracht. Ohne die Rolle der Kirche verharmlosen zu wollen, hoffe ich derartige Ansichten, mit der Darstellung auf meiner Website etwas zu korrigieren.
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Ende der Beiträge zur Hexerei und deren Verfolgung. Wenn wir darüber den Kopf schütteln, sollten wir beachten, dass in 300 Jahren vielleicht auch über Grausamkeiten der heutigen Zeit der Kopf geschüttelt wird. Gründe gibt es genug.

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