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Antoniuskapelle
bei Münster.
Ausschnitt aus den 1772-1775 entstandenen Deckengemälden. |
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Schattenseiten |
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Die "alte
Freiheit" hatte auch schattige Seiten.
Dazu gehörte
die bereits erwähnte Unterdrückung
und Ausbeutung der Unterwalliser und Lötschentaler. 1790
und 1791 kam es im Unterwallis zu Aufständen. Sie wurden von den
Oberwallisern mit Militärgewalt niedergeschlagen. Das Ende des
ersten Aufstands wird in einer Chronik wie folgt beschrieben "Die
Rädelsführer
des Unterwallis baten die Gesandten des Oberwallis im Rathaus zu Sitten
auf den Knien mit erhobenen Händen für ihre Fehler um Verzeihung
und schworen am selben Tag in der Kathedrale vor dem
Allerheiligsten den Eid der Untertänigkeit.". Nach dem zweiten
Aufstand gab es kein Pardon. Die 5 Rädelsführer wurden hingerichtet.
Nicht verschwiegen werden soll, dass es auch im Oberwallis Negatives
gab:
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1. |
Uneinigkeit,
Missgunst und Verfolgung Andersartiger
Die Bürger wollten einen "schwachen Staat". Gemeinsame
Entscheidungen waren meistens der kleinste gemeinsame Nenner der Einzelinteressen.
Wer durch besondere Tatkraft hervorragte, wurde zurückgestutzt,
aus dem Land vertrieben oder hingerichtet. Diese Erfahrung machten u.
a.: Kardinal Matthäus Schiner (er wurde vertrieben), sein mächtiger
Gegenspieler Jörg Supersaxo (er wurde hingerichtet) und der Grosse
Stockalper (er musste zeitweise in Domodossola Zuflucht suchen). Auch
unpolitische, aber sonst auffällige Menschen lebten gefährlich
( Hexen,
Spinner, Ketzer u. dergl. ). Viele endeten auf dem Scheiterhaufen.
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2. |
Staatswesen im Solde des Auslands
Im Ausland regierten Monarchen. Aus ihrer Sicht waren die Schweiz und
das alte Wallis "vom Himmel regierte Konfusionen" ohne echte
Zentralgewalt. Einzig diszipliniert durch Verträge, die die Lieferung
der begehrten Schweizersoldaten sicherten. Der mit Abstand grösste
Abnehmer war Frankreich. Auf der Soldliste Frankreichs standen nicht
nur die Dienstleistenden, sondern auch die meisten Magistraten (im Wallis
die Zendenmeier, Bannerherren, der Landeshauptmann u. a.). Einige von
ihnen holten ihren Lohn persönlich in Solothurn beim französischen
Botschafter ab. So auch Jodok Stockalper, der Erbauer des Stockalperpalastes.
Die Bedeutung der Einnahmen aus den Söldnerdiensten kann man am
ehesten mit dem vergleichen, was heute ein sonst armes Entwicklungsland
für die ausländische Ausbeutung seiner Bodenschätze erhält.
Das Geld, das ins Land floss, führte im 18. Jh. zu grösseren
sozialen und politischen Missständen. Im Oberwallis und in der
Urschweiz überwogen aber die Vorteile der "alten Freiheit".
Das erklärt auch den Aufstand der Nidwaldner, Urner, Schwyzer und
Oberwalliser Bauern gegen die 1778 von Napoleon diktierte Befreiung
vom "Ancien Régime". |
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3. |
Ständestaat
Nur Angehörige einer Bürgergemeinde hatten politische Rechte.
Bürger
wurde man durch Geburt
oder durch Wahl. Gewählt wurde nur, wer sich einkaufen konnte (Genossenschaftsprinzip).
Die Einkaufssumme war so hoch, dass Minderbemittelte nie Bürger wurden.
Ein weitere Eigenheit war, dass Inhaber von Ämtern und Würden
ihre
Nachkommen, Verwandten und Freunde besonders bevorzugten. Das war damals
nicht
ehrenrührig, sondern selbstverständlich.
Ebenfalls selbstverständich war, dass Ämterverteilungen mit anderen
Familien
abgesprochen wurden. Oft unterstützt durch eine entsprechende Heiratspolitik.
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Die Folge war
eine Aufteilung der Gesellschaft nach einem Ordnungsprinzip, das, wie
der Freiheitsbegriff, auch aus der Germanenzeit stammt.
Germanische Gesellschaftsordnung:
a) Freie, ca. 60% der Bevölkerung.
b) Edlinge, ca. 10% der Bevölkerung.
c) Unfreie und Sklaven, ca. 30% der Bevölkerung.
Aus der Reihe der Edlinge wählten die Freien
am "Thing" (Vorläufer der Landsgemeinde, Zendenversamlung) ihre Anführer.
Jeder
Freie konnte durch Reichtum oder besondere kriegerische
Fähigkeiten zum Edling aufsteigen - sofern ihn die Mehrheit
der Freien als solchen akzeptierte. Die meisten
aber waren Edling, weil der Vater dies schon war.
Edling
war
aber kein Adelsprädikat. Nachkommen von Familien, die verarmten oder in
Ungnade
fielen, konnten bis auf die Stufe eines Sklaven abrutschen. |
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Walliser
Gesellschaftsordnung im 18. Jh. :
a) Bürger (Freie, damals Burger
genannt), im Obergoms ca. 70%
b) Magistratenfamilien (Edlinge).
c) Heimsassen und Untertanen (Unfreie,
d. h. Einwohner ohne Stimmrecht).
In der Schweiz gab es ähnliche Strukturen in den heutigen
Landsgemeindekantonen,
sowie im Kanton Uri und in Teilen des Kantons Graubünden. In allen
anderen Kantonen hatten die Landbewohner den Status von Untertanen. D.h.
im Gegensatz
zur heute verbreiteten Meinung, verdankt der grössere Teil der Schweizer
die Freiheit nicht Heldengestalten wie Tell, Winkelried oder von Bubenberg,
sondern den Auswirkungen der Französischen Revolution.
Bei den Walliser Magistratenfamilien unterscheiden wir zwei Kategorien:
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Kategorie
I
Die gesellschaftliche Stellung dieser
Familien war vergleichbar mit der von heutigen Dorfkönigen
oder anderen "Mehrbesseren". Bei
rund 80% war im Obergoms Auslöser ihres Aufstiegs ein
Angehöriger,
der es in fremden Diensten zum Leutnant oder Hauptmann gebracht hatte.
Bei
ca. 15% half im Obergoms ein Verwandter, der als kirchlicher Würdenträger
Einfluss hatte oder Reichtum vererbte. Bei ca. 5%
war der Aufstieg Angehörigen zu verdanken, die einen lukrativen
zivilen Beruf erfolgreich ausübten (Im Obergoms des 18.
Jhs. waren das Notare, Orgelbauer und Glockengiesser.). Diese Familien
konnten sich die Kosten einer Wahl zum Zendemeier oder Bannerherrn
leisten
und - falls sie gewählt wurden, so ihren Reichtum vermehren,
absichern und dafür sorgen, dass auch ihre Nachkommen und nächsten
Verwandten Karriere machten.
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Kategorie
II
Vergleichbar
mit heutigen "Superreichen"
war die gesellschaftliche Stellung der Magistratenfamilien, die seit dem 17.
Jh. eigene Militäreinheiten den europäischen Monarchien zur Verfügung
stellten, resp. von diesen mit der Rekrutierung von Soldaten und Offizieren
beauftragt waren. Diese Familien nannte man deshalb auch "regimentsfähige
Familien". Mit Ausnahme der Familien von Werra und
Chastonay waren sie alle im 16. und 17. Jh. aus bäuerlichen Verhältnissen
aufgestiegen und haben ihre Adelsprädikate von ihren ausländischen
Dienstherren erhalten. Im
18. Jh. bildeten sie eine aristokratische Kaste, ohne deren Zustimmung
kein Walliser Magistrat, Offizier, Notar, Domherr oder Bischof werden konnte.
Sie lebten von Brig an talabwärts, in palastähnlichen Gebäuden.
Die meisten von ihnen in Sitten. Ihr Lebenstil orientierte sich an den aus
dem Ausland übernommenen höfischen Gewohnheiten. Zu ihnen gehörten
als einzige Obergommer die Zweige der von Riedmatten in St -Gingolph und Sitten.
Wobei Letztere ihren Zweitwohnsitz und nahe Verwandte in Münster hatten.
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Im
Bild Offiziere des Regiments d'Affry in Paris. Der Offizier
rechts trägt den Orden eines "Chevalier de l'ordre
de St - Louis".
Träger dieses Ordens war auch Leutnant
Joseph von Riedmatten. Er diente im Regiment d'Affry,
in der 2. Kompanie des 1. Bataillons. Kompaniekommandant war Ritter
von Roll von Solothurn. Bataillonskommandant Baron de Besenval, ebenfalls
von Solothurn. Regimentsinhaber und Kommandant war Generalleutnant
Graf Louis d'Affry von Fribourg. Im August und September 1792 fielen
in Paris 876 Regimentsangehörige der Französischen
Revolution zum Opfer. Bis dahin hatte das Regiment in zwei Jahrhunderten
für Frankreich
an 71 Feldzügen, 154 Schlachten und 30 Belagerungen teilgenommen.
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PS:
Die Zugehörigkeit
zu einer Magistratenfamilie bestimmte nicht der Familienname, sondern
der Erfolg eines Aufsteigers und dann die Erbfolge oder Heirat. D.h.
in den meisten Familien hatten nur einzelne Zweige zu einer
bestimmten Zeit den Status einer Magistraten-Dynastie. |
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PS:
Trotz der sozialen Unterschiede, war das politische Leben zumindest
im Obergoms durch Bürgernähe geprägt. Dort hatten
die Bürger
zu ihren Magistraten auch noch im 18. Jh. ein ähnliches Verhältnis,
wie heute in einem Verein die Mitglieder zu ihrem Vorstand.
Man kannte sich persönlich und pflegte auch ausserhalb der Zendenversammlung
den Kontakt.
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Forsetzung, siehe nächste
Seite
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